11.08.2011
Geburtstag bei Fekete
Ursula Paschke und Claus K. Netuschil gestalteten den Lesungsabend zu Ehren des 87. Geburtags mit Berichten aus seiner Vita, von eigenen Erlebnissen, Kritiken namhafter Künstler und Galeristen sowie aus handschriftlichen Notizen von Esteban Fekete. In einer lebendigen Darstellung erhielten die Zuhörer teilweise bis dato unbekannte Einblicke in das Leben des Künstlers.
Ursula Paschke und Claus K. Netuschil ergänzten Ihre Beiträge immer wieder durch eine Filmsequenz älterer Videoaufnahmen oder auch einer Diashow von Werken Esteban Feketes untermalt mit ungarischer Musik.
Anmerkung des Webmasters: Aus urheberrechtlichen Grunden dürfen wir das aufgeführte Musikstück hier nicht wiedergeben. Wir freuen uns, dass Sascha Ende von www.ende.tv die Musik Blockbuster Atmosphere 3 (Resolution) zur Verfügung gestellt hat. Die Diashow wurde von Alexander Kontos, MediaFabrica zusammengestellt.
Eine kleine Auswahl der Beiträge von Ursula Paschke.
Fekete hat stets die Wechselwirkung und Gleichrangigkeit von Bild und Wort empfunden, für beide Medien Antennen und Bedürfnis gehabt. So schrieb er einmal, daß seine Farbholzschnitte auch Geschichten seien. „Sie sind nicht mit Worten geschrieben sondern mit Farben, Formen und Linien, sie sind Bilder und keine Texte. Doch was man mit Bildern erzählen kann, ist auch mit Worten möglich. So male ich, von den verschiedensten Impulsen inspiriert, ein Bild. Dann betrachte ich es und versuche, das in Worte zu kleiden, was ich vorher in Farben und Formen gefunden habe. Meinem Bild kann auch meine Geschichte beiliegen. Und so gibt es eine ganze Reihe „Holzschnitt-Geschichten“, sämtliche 25 sind im Fotoband von webmaster Rosenbaum erfaßt. Er pflegte Zuschauer zu ermuntern, eine Geschichte zu erfinden oder aus seinem Bild herauszulesen, denn warum solle immer das Wort das erste sein? Auch das Bild könne seine Emanzipation haben. Man könne diesen Vorschlag ein oder zwei Nächte überschlafen. Die Nacht sei ein guter Ratgeber, die Träume seien gute Freunde.
(…)
In der Buch-Kassette „Meine Insel“ beginnt Fekete seine Erzählung folgendermaßen: „Ich spreche kein Englisch, werde es auch nie lernen. Jeder hier in Irland singt mir seine eigene Poesie; was man nicht versteht, wirkt wie ein Mysterium, wie ein himmlischer Gesang. Jedermann ist hier für mich ein kleiner Shakespeare. – Nicht die Iren lockten mich her, sondern das Land. Meine Landes-Kenntnisse waren gering. – Durch meine Augen wurde fast jede Wahrnehmung als einmalige Entdeckung gefeiert. Auch jetzt kümmere ich mich wenig um das bisher über Land und Leute Gesagte und Geschriebene. Ich achte ja auch bei meiner Malerei nicht darauf, was meine Vorgänger schon gemalt haben. Ich bin einmalig, wie jeder Mensch einmalig ist, und so wird durch mich alles bereits Gesehene und Gehörte einmalig.“ – Nach einem regnerischen Sonntagsspaziergang faßte er seine ersten Beobachtungen zusammen:
- Iren sind gesellig und jederzeit für Gespräch und Scherz zu haben.
- Kühe dürfen sich frei bewegen.
- Sonntags wird gesoffen (an anderen Tagen gleichfalls) und Fahrrad gefahren.
- Es regnet ständig, aber man kümmert sich nicht darum.
- Fremde werden als gleichwertig empfunden.
Das Leben ist zu genießen, allen Widrigkeiten zum Trotz.“
(…)
Nach etwa 15jähriger Euphorie, für jeweils 3 Monate im Wechsel zwischen seinem irischen und hiesigen Zuhause pendeln zu dürfen, wuchs langsam aber unaufhaltsam durch die zunehmende Sprachhemmung und den Gedächtnisverlust seiner Frau auch seine Vereinsamung, die sich eine Weile neben seiner künstlerischen Arbeit durch intensives Lesen mildern ließ. Aus seinen Briefen, die in den letzten 7 Jahren aus Irland kamen, ließen sich Gemütsverfassung und Gedankenwelt deutlich ablesen. So hieß es beispielsweise im Februar 2000: „warum ich Pastelle mache? Weil ich hellere Bilder haben will und weil ich in dieser Technik weniger Details bringen kann und so vielleicht der Altersschwäche, zu viele Kleinigkeiten ins Bild zu bringen entgehen kann.
(…)
Februar 2006
Ich bin ein sinkender Stern, der eigentlich nie oben war. Aber wenn ich noch mal anfangen könnte, hätte ich ebenso gemalt wie heute. Mit meiner Auffassung von Kunst und Leben kann man heute keinen Erfolg erwarten.
Ich lese gerade Pascal Merciers „Nachtflug nach Lissabon“, ein wenig lang, aber er hat einige gute Gedanken, z.B. über die Enttäuschung. Wir sollten sie nichtverdammen als schlecht, sondern begrüßen als zu uns selbst Zurückführendes. Was habe ich erwartet, was nicht eingetroffen ist? Es hilft mir, diese Fragen zu stellen.
Am 8. September 2007 schrieb er zum letzten Mal aus Irland. Die Flugtickets für ihren nächsten Irland-Aufenthalt seien besorgt, aber irgendwie in seinem Inneren fühle er das nicht, womit er recht gehabt hat. Hier endeten seine schriftlich formulierten Berichte, Fragen und/oder auch selbst gegebenen Antworten. Ventiliert hat er zuverlässig bis zum Lebensende, die FAZ weiterhin aufmerksam gelesen, sich auch für die Anthologie am Samstag interessiert. Ein dort präsentiertes kleines Gedicht von Mascha Kaléko gefiel ihm sehr und er bat mich, es zu lernen und ihm beim nächsten Besuch zu deklamieren:
Resignation für Anfänger
Suche Du nichts, es gibt nichts zu finden, nichts zu ergründen, finde Dich ab.
Kommt ihre Zeit, dann blühen die Linden über dem frisch geschaufelten Grab.
Kommt seine Zeit, dann schwindet das Dunkel, funkelt das wiedergeborene Licht. Nichts ist zu Ende, alles geht weiter, und Du wirst heiter. Oder auch nicht.
Zwischen Vergehen und Wiederbeginnen Liegt das Unmögliche. Und es geschieht.
Wie und warum waren nie zu ersinnen. Neu klingt dem Neuen das uralte Lied.
Geh nicht zu Grunde, den Sinn zu ergründen. Suche du nicht. Dann magst Du
ihn finden.
und Claus K. Netuschil:
aus „Eine Rede, die nicht gehalten wurde“.
… Ich will kein hoffnungsloser Narr sein, ich werde die Welt nicht verändern, ich werde kein Schicksal aufhalten. Mit meinen Bildern bewirke ich nur, mein eigenes Schicksal zu erfüllen, vielleicht aber auch, eine winzige Antwort zu geben, auf den Wind zu hören, dem Regen zuzusehen und Düfte wahrzunehmen, Berge wie Halden, verfallende Häuser wie Ruinen, Menschen wie Tiere, Wartende, Essende, Trinkende. Nur für eine halbe Stunde. Manchmal.
Wolfgang Rothe
Poesie im Bild
(…) In Feketes Bildern spricht sich eine Unbefangenheit gegenüber der Farbe aus, die in Europa selten geworden ist. Während viele unserer Maler eine regelrechte Angst vor der Farbe haben, sind diesem Iberoamerikaner solcherlei Hemmungen völlig unbekannt. Er anerkennt nicht das Tabu, das hierzulande über so manche Farbe – etwa Grön – liegt und die Palette einengt; er scheint nicht einmal zu wissen, daß es solche geheimen Verbote gibt Jede Farbe Ist ihm grundsätzlich gleichwertig, gleich erlaubt, die Möglichkeit ihrer Verwendung unbeschränkt. Freilich hat er seine Vorlieben: gewisse Rots, Blaus, Gelbs, Grüns kehren stets aufs neue wieder, während Grau, Braun, Schwarz beinahe gänzlich fehlen. Und wie sich die Farbskala insgesamt nicht in Askese übt, so enthält auch das einzelne Bild statt einer einzigen beherrschenden Farbe eine Mehrzahl kräftiger, einander gleichwertiger Valeurs.
(…) Fekete ist einer der Glücksfälle, bei denen Poesie und Malerei sich verbinden, einer der wenigen wahrhaften naiven Maler unserer Zeit, – naiv in jener guten Bedeutung, die etwa Schiller dem Wort gab, als er ,,nalve“ und ,,sentimentalische“ Poesie schied. Wie alle naiven Maler des 20. Jahrhunderts ist er Autodidakt, Einzelgänger, Außenseiter, der statt nach gelernten Regeln und zeitgenössischen Programmen zu malen, eine scheinbar private und belanglose Welt aus sich ans Licht hebt. (…)
Julio E. Payro
Die Welt als Traum
Zur Kunst Esteban Feketes
(…) Die Persönlichkeit diese Künstlers ist absolut echt: er ahmt nicht ferne östliche oder westliche Vorgänger nach, sondern diese scheinen in ihm zu überleben und ihm sein unwirklichen Landschaften, seine Figuren zu diktieren, deren unreife Grazie und unschuldige Schamlosigkeit uns an die Even alte Mosaiken erinnern.
Die Kunst Esteban Feketes ist zeitlos. Sie ist weder auffallend alt noch eigentümlich modern. Er ist weder an die zeitgenössischen Modetendenzen gebunden, noch schlüpft er in irgendeine Form der Vergangenheit. Es ist die Kunst eines Einzelgängers und Unabhängigen; eine Kunst, die, eingehüllt in einen Legendenglanz, der aber etwas Barbarisches und auch Gegenwärtiges enthält, uns als Erzeugnis einer besonderen bildnerischen Phantasie entgegentritt, die der Beschwörung dem geheimen Leben der Wesen und der Dinge dient.
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Alles in allem ein gelungener Abend und mit vielen bisher eher unbekannten Informationen aus dem Leben von Esteban Fekete.
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