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Ausstellung „Esteban Fekete – Frühe Farbholzschnitte auf
Ausstellungsplakaten 1960-1975 „
am 14. Mai 2011
Begrüßung:
Dr. Klaus Lehmann,
Kulturhistorischer Verein Roßdorf
Einführungsvortrag in die Ausstellung
Dr. Reiner Welters
Darmstadt
Sehr geehrte Damen und Herren,
Esteban Feketes Fans kennen die Geschichte schon: Daß er nämlich 1961 – anläßlich der ersten Ausstellung seiner Gemälde in Frankfurt – durch die Notwendigkeit, dafür Plakate zur Verfügung zu stellen, auf die alte Technik des Holzschnitts verfallen sei, weil sich so preiswert eine Menge Ausstellungsplakate hätten herstellen lassen. Er entwarf jedenfalls einen Farbholzschnitt und druckte eigenhändig an die 80 Ausstellungsplakate. Dieser Methode ist er für alle seine Ausstellungen treu geblieben. Damals war das wohl der Anfang einer großartigen Entwicklung, die ihn zum herausragenden Farbholzschneider der letzten Jahrzehnte hat werden lassen.
Nun, ob Wahrheit, Anekdote oder schön ausgeschmückte Erzählung – damals entstand jedenfalls ein Plakat, das Sie hier nun zunächst einmal auf der Leinwand sehen (Bild 1). Ihm folgten noch viele andere, jeweils zu den vielen Ausstellungen, auf denen Esteban seine Werke präsentierte. Und immer verwendete er einen seiner Farbholzschnitte als Bildmotiv. Es ist ein großes Verdienst des Roßdörfer Kulturhistorischen Vereins und der Fekete-Stiftung, uns nun eine Auswahl von frühen Plakaten aus dem Zeitraum von 1960 bis 1975 zu zeigen. Auf einige davon werde ich im Laufe meines Vortrages noch eingehen. Aber was ist eigentlich ein Plakat und woher kommt es?
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„Der Plakatkünstler muß etwas erfinden, das selbst den Durchschnittsmenschen anhält und anregt, wenn er vom Pflaster oder Wagen aus das Bild der Straße an seinen Augen vorbeieilen läßt.“
So sprach einer, der das Plakat im 19. Jahrhundert in Frankreich eigentlich zu einer neuen Kunstform entwickelt hat: Jules Cheret. Er entwarf über 1000 Plakate und machte Paris ab etwa 1860 zum Mekka der Plakatkünstler. Eigentlich war er Lithograph, lernte in London das Drucken größerer Papierformate und entwickelte sich dann in der französischen Metropole zum Künstler, der wiederum andere Maler anregte, sich der Plakatkunst anzunehmen – wie etwa Pierre Bonnard oder vor allem Henri Toulouse-Lautrec, der zwar nur 30 Plakate entwarf, aber mit denjenigen zum Beispiel für den Chansonsänger Aristide Bruant oder die Tänzerin La Goulue Weltruhm erwarb. Von Paris aus breitete sich das künstlerische Plakat in ganz Europa aus und fand immer neue Künstler, die es in den Rang eines Kunstwerkes erhoben. Einer von ihnen war der Tscheche Alfons Mucha mit seinem berühmten Plakat für die Schauspielerin Sarah Bernhardt.
Jules Cheret erhielt 1891 das Kreuz der Französischen Ehrenlegion. In der Begründung hieß es unter anderem, er habe mit dem Plakat „einen neuen Kunstzweig geschaffen, indem er die Kunst auf kommerzielle und industrielle Druckerzeugnisse übertrug“. Damals, in den 1890er Jahren war der erste Höhepunkt der sogenannten „Plakatbewegung“, in der man die Plakate nach den Kriterien der freien Kunst zu bewerten begann, Kunsthändler sich auf Plakate spezialisierten, öffentliche und private Plakatsammlungen entstanden und Künstler sowie Museen mit Plakaten für ihre Ausstellungen warben. In Berlin erschien zwischen 1910 und 1921 sogar die Zeitschrift „Das Plakat“, die sich nicht zuletzt an Sammler dieses Genres wandte. Mit dem Fortschreiten der Jahrzehnte schlugen sich nicht nur die verschiedensten Kunstrichtungen wie Jugendstil, Expressionismus, Art Déco, Dadaismus, Konstruktivismus, Bauhaus, die niederländische Gruppe „De Stijl“, ja sogar die Pop-Art in der Gestaltung nieder, nein, es änderte sich auch die Stoßrichtung: Weg von der Ankündigung von künstlerischen Veranstaltungen, hin zur Produkt- und schließlich zur politischen Werbung und zur kritischen Auseinandersetzung mit den verschiedensten Themen, die die Gesellschaft bewegten.
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Gestatten Sie mir einen kurzen Ausflug zu den Ursprüngen des Plakates, das ja auf etwas aufmerksam machen soll – auf ein Ereignis, auf eine Botschaft, auf eine Position, auf ein Angebot. So etwas Ähnliches wie Plakate gab es schon bei den Römern. Sie brachten weiße Holztafeln mit Gesetzestexten oder behördlichen Anordnungen an Plätzen oder öffentlichen Gebäuden an – die sogenannten „albae“. In Papierform sind es dann später die Flugblätter, die die direkten Vorläufer des Plakates waren. Sie tauchten gleich nach der Erfindung des Buchdrucks auf und wurden von Holzschnitten gedruckt – zunächst nur als Text, aber schon bald auch mit naturgemäß noch groben Abbildungen. Peter Schöffer aus Gernsheim, Gutenbergs bedeutender Helfer und Miterfinder des Buchdrucks, warb schon um 1470 mit solchen Flugblättern für seine Druckkünste. Und wenn Sie so wollen, war auch der Thesenanschlag Luthers 1517 an der Schloßkirche zu Wittenberg letztlich ein Plakat.
Dieses Wort tauchte übrigens zuerst in den Niederlanden auf, im 16. Jahrhundert während des Befreiungskampfes gegen die Spanier. Damals klebten die Geusen Flugblätter an Häuserwände und Mauern. Man nannte das „placken“, und die Papierbögen hießen „Plakatten“. Im Französischen entstand daraus „plaque“ und „placard“ (Anschlag), und in Deutschland benutzte der Satiriker Johann Fischart bereits 1578 zum ersten Mal das Wort „Plakat“.
Im 16. und 17. Jahrhundert entwickelten sich dann Frühformen des Bildplakates, vereinzelt für Warenangebote, oder für den Auftritt von Gauklertruppen. 1625 warb zum Beispiel in Genf ein Besitzer von 12 Affen auf einem Plakat mit dem Hinweis, er habe sie sogar dem französischen König vorgeführt. Ursprünglich war die überall vorherrschende Technik der Holzschnitt, später, nach der Erfindung der Lithographie durch Alois Senefelder 1796 wurde sie mit ihren vielfältigen Möglichkeiten die bestimmende Druckmethode, und das Plakat trat um 1830 – von England ausgehend seinen Siegeszug an. Man warb für Tanzveranstaltungen, Ausstellungen, Theateraufführungen, Filme, Sportveranstaltungen, Reisen und mehr und mehr für Produkte und politische Botschaften. Heute kann man sich unsere Städte kaum noch ohne Litfaßsäulen und Plakatwände vorstellen. Und der Kampf gegen das „wilde“ Plakatieren hat nicht erst heute begonnen – er ist fast so alt wie das Plakat selbst.
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Esteban Fekete hat sich mit der Wahl des Farbholzschnittes als einziger Methode zur Herstellung seiner Ausstellungsplakate, vielleicht vornehmlich angeregt durch deutsche Expressionisten, die sich dieser Technik manchmal wieder bedienten, bewußt hinter die gleichsam blendend perfekt erscheinenden Produkte der Lithografie zurückbegeben und mit der Entwicklung seines Farbholzschnittes zu wirklicher Meisterschaft eben auch der im Kunstbetrieb eher stiefmütterlich angesehenen Plakatkunst einen eigenen Stempel aufgedrückt. Hier wie in allen seinen Werken dominiert die brillante Farbigkeit mit ihrer geheimnisvollen Transparenz. Auch hier finden wir die schon vertrauten Motive: Frauen, Paare, Tiere, Vögel, Häuser, Dörfer, Landschaften sowie bildhafte Umsetzungen literarischer Szenen oder musikalischer Werke, alles in der vielschichtigen Komposition, die sich aus dem Einsatz mehrerer Farben und mehrerer Druckplatten ergibt.
Lassen Sie uns nun gemeinsam ein paar der Plakate betrachten und erlauben Sie mir, dazu einige Anmerkungen zu machen:
Bild 1 (WV 18): Das allererste Plakat für seine Ausstellung in der berühmten Galerie von Hanna Becker vom Rath 1961 in Frankfurt lehnt sich noch an die berühmten französischen Vorbilder an, die Esteban gewiß gekannt hat. Unter dem Titel „Der Spiegel“ zeigt es eine nackte junge Frau, deren Körper als beseelt in Gold erstrahlt, vor einem Spiegel, umgeben von Vase, Schale und Tiegel, den uralten Attributen der Weiblichkeit. Die Gestalt nimmt einen großen Teil des Bildes ein. Der Spiegel und das Spiegelbild sind unscharf, nur angedeutet. Das Gesicht ist leer, so als fehlten noch die Züge, die aus der Gestalt eineunverwechselbare Person machen. Das Spiegel-Motiv reiht sich so ein in die Reihe ähnlicher Darstellungen in der Malerei – Frau vor dem Spiegel, Maler vor dem Spiegel, jenem Symbol der Erkenntnis und Selbsterkenntnis – sie bedeuten jeweils die Konfrontation mit dem eigenen Ich, mit der Vertrautheit und der Fremdheit, stets auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage: „Wer bin ich wirklich?“.
Schon hier finden wir die bekannte Signatur Feketes in relativ großen geschnitzten Buchstaben, die auf späteren Plakaten noch prägnanter angeordnet sein wird.
Bild 2 (WV 97): Wir sehen unter dem Titel „Vogel auf dem Dach“ von 1964 einen großen, goldenen Vogel der das Plakat eigentlich dominiert und die Stadtlandschaft mit Turm, Häusern, Fenstern, angedeuteten Bäumen trotz der schon virtuoser eingesetzten Farben Blau und Rot in den Hintergrund drängt. Die Goldfarbe kennzeichnet ihn als Wesen mit Geist und Seele, als sangesbegabt, vielleicht als Inkarnation des Melos schlechthin. Betrachten wir dieses Bild, so verstehen wir, warum Fekete einst sagte, er male Vögel so gerne, sie hätten eine so schöne Gestalt. Zum ersten Mal finden wir hier schon die Form des Plakates, die Fekete bevorzugt wählte: Der Name sehr prägnant oben, das Bild in der Mitte und die Ausstellungsdaten unten – eine sehr klare, dem Medium Plakat sehr gerechte Anordnung – Cheret hätte seine Freude daran!
Bild 3 (WV 71): Im Jahre 1966 hat Esteban eine Ausstellung in der berühmten Galerie Boisserée in Köln. Für das Plakat wählt er den rechten Teil eines Farbholzschnittes mit dem Titel „Pilar“. Die andere Hälfte verwandte er für eine Präsentation in der Duisburger Bücherstube. Pilar ist wohl ein argentinischer Ort im Großraum Buenos Aires. Das ganze Bild wird uns später noch begegnen – in anderen Farben! Hier hat er die Häuser in nachtblaue Farbe gehüllt. Die Dächer sind gelb gesprenkelt, um anzudeuten, daß, wenn auch schlafend, noch Leben in ihnen herrscht. Dunkle Bäume, exotische Pflanzen wie Schatten, ein Zaun um eine leere Fläche. Eingefangen ist die Stille der Nacht – schon allein durch die Farbgebung!
Wenn Sie später durch die Ausstellung gehen, werden Sie vielleicht staunend bemerken, an wie vielen Orten Esteban Fekete in den 60er und 70er Jahren ausgestellt hat. Damals ging sein Stern auf, und er wurde – unverwechselbar – ein Künstler von europäischem Rang.
Bild 4 (WV 261 und WV 243: Das Bild auf diesem Plakat aus dem Jahre 1969 ist mit den Platten zweier verschiedener Farbholzschnitte gedruckt und damit eine Besonderheit. Pate standen die Motive „Verlassene Stadt“ und „Hinten in meinem langen Schatten“. Auf den ersten Blick ist es ein sehr schönes Bild, auf den zweiten vermittelt sich dann doch der Eindruck der Verlassenheit, die sozusagen aus den offenstehenden Fenstern und Türen quillt. Düsternis zieht sich diagonal von links unten nach rechts oben über die Szenerie, Farbreflexe flirren in die entgegengesetzte Richtung. Unten links wie ein Schatten die Gestalt eines Hundes, der die Stadt in stiller Würde durchschreitet. Eine Reminiszenz an Feketes Liebe zu den Tieren, vornehmlich zu seinen Hunden – und für mich die Gelegenheit, Sie auf die sehr schöne Ausstellung im Kunstarchiv Darmstadt: „Zirkus Fekete“ hinzuweisen. Wehmut beschleicht einen, wenn man unten den Namen der Galerie Garuda liest und bedenkt, wie viele Galerien in Darmstadt im Laufe der Zeit verschwunden sind.
Bild 5 (WV 51): Wie schön, daß die berühmte Werkserie Feketes, „Der goldene Hahn“ sich auch auf diesem Plakat aus dem Jahre 1969 wiederfindet. Sie ist ja gestaltet nach der Erzählung von Alexander Puschkin, in der der Mann mit dem goldnen Hahn dem ratlosen König zu Hilfe eilt, solange, bis den Herrscher die Hybris überkommt. Der goldglänzende Hahn, der vor den König gebracht wird, prägt das gesamte Bild. Wie ein Symbol des Lebens, der Weisheit, des Lichtes steht er stolz vor dem in Blau gehaltenen Herrscher und seinem Berater, denen man die Hilflosigkeit regelrecht ansieht.
Bild 6: (WV 115) Ich gestehe Ihnen, daß dieses Blatt 7, das für den Monat Juli in dem Kalenderwerk Feketes mit dem Titel „Persephone“ von 1969 steht, mein Lieblingsplakat ist. Das liegt einerseits an dem sehr schönen Bild des jungen Paares, andererseits an der rührenden Geschichte der Persephone. Ganz kurz: Persephone war die schöne Tochter aus einer Liebschaft des Zeus mit der Erdgöttin Demeter. Zeus hatte sie dem Hades, dem Gott der Unterwelt, als Gattin versprochen. Sie wollte aber nicht in die Finsternis, aber Zeus setzte sich durch. Demeter war außer sich vor Zorn und ließ fortan nichts mehr wachsen auf der Erde. Hera, Zeus‘ Gattin wurde das zu bunt und sie setzte durch, das Persephone wieder auf die Erde zurückkehren konnte – wenn, ja wenn sie im Hades nichts gegessen hätte. Dummerweise hatte ihr jemand Apfelsinenkerne angeboten und sie hatte vier davon verzehrt. Somit erging das Urteil: Sie durfte acht Monate auf die Erde – dann wuchs dort etwas – und vier Monate mußte sie bei Hades verbringen – dann war auf der Erde Winter. Hier auf dem Bild sehen Sie, wie Persephone zur Erde strebt und Hades versucht, sie zu halten – eine wunderbare Szene!
Igor Strawinsky hat nach Texten von Andre Gide ein Ballett „Perséphone“ komponiert. Ich vermute, diese Musik hat Fekete zusätzlich zu diesem Werk angeregt.
Bild 7 (WV 202): Hier begegnet uns noch einmal das Motiv „Pilar“ von 1969, diesmal als ganzer Druck des Farbholzschnittes, aber mit anderen, freundlicheren Farben. Das Motiv ist nach links erweitert und in fast klassischer, kubistischer Manier konstruiert. Es zeigt einmal, wie man mit dem Wechsel der Farben die Stimmung eines Bildes verändern kann, zum anderen, wie die Virtuositat des Künstlers in der Behandlung des Holzes und des Druckes weiter zugenommen hat.
Bild 8 (WV 71): Sie sehen hier ein seltsames und seltenes Motiv aus Feketes Schaffen. Es heißt „Nachmittags“ und stammt aus dem Mappenwerk „Die Geier und die Zukunft“ von 1970. Zu den zahlreichen Holzschnitten dieser Mappe hat Fekete selbst eine Geschichte erfunden, in der es heißt: „ Nachmittags waren es schon Unmengen von hüpfenden Teufeln…. Der heiße Nachmittag der Subtropen ist ja die Stunde der Zikaden, deren „Konzert“ das beherrschende Geräusch in der Stille der Siesta ist. Während alles Leben auf träge und bewegungsarm programmiert ist, trotzen sie in ihren wie Stahl wirkenden blauen Panzern der Hitze, die mit orangeroter Glut den Hintergrund bildet. Sie beherrschen das Plakat wie Eroberer aus einer fremden Welt und machen gleichzeitig neugierig auf das, was angekündigt wird.
Bild 9 (WV 269): Auf den ersten Blick denkt man bei diesem Motiv: „Oh, das ist ein mechanischer Vogel – so einer zum Aufdrehen!“ Und wirklich: Das Innenleben dieses Vogels von 1969 – betitelt als „Nachtigall V“ scheint aus einem Räderwerk zu bestehen. Das Gold, die Farbe der Beseeltheit, fehlt. Es sieht aus, als ob der Vogel auf einem eisernen Fuß stünde, wie angebunden an einen Pfosten, der Freiheit und jeglicher Kreativität beraubt. Nur der Hintergrund schimmert noch golden wie eine Reminiszenz an das einstige Leben. Die Nachtigall, wegen ihres süßen und zugleich klagenden Gesanges ihrerseits besungen von zahllosen Dichtern als Symbol der Liebe und der Sehnsucht erscheint uns hier eher als eine verdammte Seele, eine Rolle, die ihr häufig der Volksglaube zugeschrieben hat.
Bild 10 (WV 289): O ja, das ist eine schöne und stolze Frau, die „Kämmende“ aus dem Jahre 1970, wie sie da vor dem Spiegel sitzt und ihr Haar ordnet, aufrecht und selbstsicher, umgeben von Tiegel, Topf und Schale, seitlich flankiert von einer Vase mit Blumen, diesem ewig gültigen Zeichen der Weiblichkeit. Das Rot durchdringt den Körper und symbolisiert das Leben, das innere Feuer, und es korrespondiert mit dem Rot des Hintergrundes.
Wenn man die letzten Plakat-Motive genauer betrachtet, fällt eben auf, wie sich die Kunst des Farbholzschnittes bei Fekete mit den Jahren immer weiter verfeinert, wie er immer noch virtuoser wird in der Bearbeitung des Holzes und in der Wahl der Farben. Man sieht wahrlich dem Meister zu auf seinem Weg zum Gipfel seines Könnens in dieser Technik. Das gilt auch für die noch folgenden Motive – und es wird für Sie alle ein ästhetischer Reiz sein, diese Entwicklung auf den ausgestellten Plakaten insgesamt zu verfolgen. Die Hängung nach Entstehungszeit, die hier gewählt wurde, gibt uns eben genau diese Möglichkeit!
Bild 11 (WV 318): Mit dem Motiv „Bergstraße“ von 1972 haben wir eines der zahlreichen regionalen Darstellungen aus dem Lebensmittelpunkt Feketes in Roßdorf vor uns. Der Marktbrunnen vor den Fachwerkhäusern, das rastende Paar, das wie demonstrativ Muße und Entspannung signalisiert, die Hügel und Dörfer in der Ferne, die wie in Abendrot getaucht erscheinen, vermitteln uns ein Bild des Friedens, wie wir es uns hier an der „Via montana“ immer wieder gerne vorstellen.
Wenn Sie so nebenbei auch einen Blick auf den Text werfen, werden Sie verwundert feststellen, wie weit gestreut die Ausstellungsorte sind – eben auch ein Indiz für das Ansehen, das Fekete in dieser Zeit in der Kunstwelt genossen hat. Allein die von mir besprochenen Plakate umfassen ein Gebiet von Bad Pyrmont im Norden bis Heidelberg im Süden, von Hamm im Osten bis zum belgischen Gent im Westen.
Bild 12 (WV 314): Weniger friedlich präsentiert sich das ebenfalls regionale Motiv „Im Odenwald“, auch aus dem Jahre 1972. Hier sehen wir unten links eine Art Ansammlung von Sperrmüll, einen Stuhl, Gerätschaften, dazu Attribute des bäuerlichen Lebens vor diesen kleinen, spitzgiebligen Fachwerkhäusern, alles umfaßt von einer Dunkelheit, die uns an Vergänglichkeit, an das Ende einer Epoche zu denken zwingt. Und das leitet nun über zu dem letzten Bild, das ich Ihnen nahebringen möchte:
Bild 13 (WV 308): „Villa miseria“ – Elendsdorf – so benannte Esteban diesen Holzschnitt. Wir sehen in diesen schiefen Hütten, eng aneinander gebaut, draußen umgeben von Utensilien eines erbärmlichen täglichen Lebens, schlecht bewacht von einem schlafenden Hund, die eingefangene Realität einer Favela, eines Wohnortes der Ärmsten der Armen. Aber, wie um ihnen Ehre zu erweisen, hat Fekete diesen Farbholzschnitt auffallend virtuos gestaltet – detailreich, geradezu kleinteilig in den einzelnen Konstruktionselementen – und ihn mit einer Farbkomposition ausgestattet, die einfach meisterlich ist. Nicht, daß er sich besonders um die Nöte der Menschen, die dort lebten, gekümmert hätte – aber er hat ihnen mit diesem Druck doch ein Denkmal gesetzt.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin nun am Ende meines Vortrages angekommen. Gesprochen habe ich früher schon über Esteban Feketes Gemälde, über sein Schaffen als Maler, über seine Hinterglasgemälde – und nun auch über seine Plakate auf der Basis des Farbholzschnittes. Immer habe ich versucht, Ihnen auch etwas von seiner zweifellos vielschichtigen und aufregenden Persönlichkeit zu vermitteln, von dem Reichtum seiner Kenntnisse und Interessen, von seinem Temperament und seiner Leidenschaft. Einfach weil es mir am Herzen liegt, daß er nicht vergessen wird und sein Werk auch nicht.
In meinen Vorträgen habe ich gesprochen über das, was er in seinen Bildern immer wieder dargestellt hat – Situationen des Alltags, Frauen, Tiere, Dörfer, Berge und Schluchten, Schiffe, Wracks, Weintrinker, Szenen aus der Literatur, der Musik. Ich habe gesprochen über seine leuchtenden Farben, die Symbolik in seinen Bildern und vieles mehr. Fekete würde jetzt wahrscheinlich laut und vernehmlich „Amen“ sagen und damit den Schluß verkünden.
Ich aber will heute enden – passend zur jetzigen Stunde – mit einem kleinen Gedicht von Georg Trakl. Trakl, 1914 jung gestorben, ist sicher einer der größten deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Seine Gedichte glühen von Farben – deshalb paßt er zu Fekete – und in diesem hier verweist er mit der Wahl des Wortes Kithara, dem wichtigsten Saiteninstrument der alten Griechen auf die Musik und mit der Zitierung der Kothurn, der hohen Schuhe, die zum altgriechischen Theaterkostüm gehörten, auf die Literatur und das Drama – uralte Kulturelemente, aus denen Fekete immer aufs neue Anregungen schöpfte – und deshalb ist dieses Gedicht jetzt auch so etwas wie eine Hommage an ihn.
Der Abend
Versunken ist der Tag in Purpurrot,
Der Strom schwimmt weiß in ungeheurer Glätte,
Ein Segel kommt. Es hebt sich aus dem Boot
Am Steuer groß des Schiffers Silhouette.
Auf allen Inseln steigt des Herbstes Wald
Mit roten Häuptern in den Raum, den klaren.
Und aus der Schluchten dunkler Tiefe hallt
Der Waldung Ton wie Rauschen der Kitharen.
Das Dunkel ist im Osten ausgegossen.
Wie blauer Wein kommt aus gestürzter Urne.
Und ferne steht, vom Mantel schwarz umflossen,
Die hohe Nacht auf schattigem Kothurne.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehen Sie hier einen Teil der Ausstellungsplakate aus einem Zeitraum von 1969 bis 1975: