Einladung Kulturhistorischer Verein Roßdorf |
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Ausstellung „Esteban Fekete – Seine Drucktechnik für Farbholzschnitte „
am 14. November 2010
Begrüßung:
Dr. Klaus Lehmann,
Kulturhistorischer Verein Roßdorf
Einführung in die Ausstellung
Ursula Paschke
Mülheim a. d. Ruhr
Guten Morgen und Herzlich Willkommen!
Es ist ein Professor Wilhelm zu verdankender Glücksfall, daß die Fekete-Stiftung nicht nur seit 2002 drüben im Haupthaus über lichtdurchflutete, schöne Museumsräume verfügt, sondern daß sie darüber hinaus bereits seit 1996 hier oben in der Remise ein Fekete-Kabinett besetzen darf, in direkter, illustrer Nachbarschaft zu einem komplett eingerichteten, der Buchdruckzunft gewidmeten Raum. Vor einigen Wochen las ich in der FAZ von Eduard Beaucamp unter der Überschrift „Denn darumwissen wir, wie sie lebten“ einen Artikel über Künstlermuseen, eine Hommage an wichtige Erinnerungsstätten in Deutschland, nachdem man diese zunächst nur in Frankreich lieben gelernt hatte. Mittlerweile gibt es Gottseidank auch bei uns im ganzen Land verteilt Künstlermuseen, man denke nur an die Nolde-Stiftung in Seebüll, das Lenbachhaus in München, Kolbes Nachlaßmuseum in Berlin, Barlach in Güstrow, in Gera eine Dix-Stiftung, Christian Daniel Rauchs Nachlaß im hessischen Arolsen, um nur ganz wenige zu nennen. Während rein private Stiftungen leichter gefährdet sind, ihre Zukunft ungewiß, Museen unter Anpassungs- und Erfolgsdruck stehen, stellt hier in Roßdorf die rein gemeinnützige Zwecke verfolgende Fekete-Stiftung im kulturhistorischen Verein ein reizvolles Besucherziel auf Dauer dar. Voriges Jahr konnten wir drüben im Museum alle 22 Hinterglasbilder unter Dr. Welters’ packender Einführung betrachten, die Fekete noch in seinen letzten einsamen Lebensjahren gemalt und um seine Staffelei im Wohnzimmer versammelt hatte. Dagegen dürfen wir uns heute hier ein wenig wie bei Feketes zu Hause fühlen. Herr Dr. Held wird gleich u.a. ausführen, was er und ich nach dem Tod allmählich aus allen Ecken, Nischen, Stellagen und unter Dachsparren gezogen und bilanziert haben. Herr Dr. Lehmann hat danach mit großem Verantwortungsgefühl, klar planender Organisationsgabe und Sorgfalt wochenlang zunächst geräumt im Fekete-Haus und dafür gesorgt, daß die Schätze im 2. Stock des Haupthauses und im Gemeindearchiv adäquat aufgenommen und gelagert werden konnten. Das Inventar aus dem Keller-Atelier mit Kupferdruck-Handpresse und sämtlichem Zubehör beispielsweise wanderte jetzt geschlossen hierher. Lebte er noch, könnte Fekete sogleich seine alte Schürze überziehen und hier weiterdrucken. Diese Schürze hatte meine Tochter seinerzeit als Ersatz für seine alte genäht, weil die nur noch durch Farbkleckse zusammenhielt. Besser sieht jetzt diese über Jahre täglich bewährte nun auch nicht mehr aus. Im Büchlein „Drei Beiträge“ mit Reden von Prof. Jansen und Prof. Müller-Linow anläßlich Lichtenberg-Preisverleihung, 1980 herausgegeben von der Galerie Netuschil, heißt es in meinem Kapitel „Ein Sonntagnachmittag“ zum Thema Drucken im Keller-Atelier: Da hinten am Fenster spielt sich die eigentliche aufreibende Druckarbeit ab. Könnten Sie morgen unbemerkt durch das Fenster sehen, böte sich Ihnen womöglich ein friedliches Bild: Bei einer Dichterlesung oder auch einem Schostakowitschquartett aus dem Radio sehen Sie den Künstler mit aufgekrempelten Ärmeln und gefurchteter Stirm schürzenbekleidet voller Konzentration Farben wählen – aus Tuben quetschen – mit Verdünnungsmittel verstreichen – ein- und aufrollen, Holzplatte heben – wenden – aufdrücken – mit Filz bedecken – durch die Handpresse drehen – hochnehmen, Blatt prüfen – Grimasse schneiden – Kopf schief legen – knurren – wieder prüfen … Es könnte sich Ihnen da aber durch die Scheibe auch ein wildes Drama darbieten: ,Es kommt nicht!’ Wilde Tritte in das Papier, drohende Gebärden zur Decke, Adern schwellen, die Augen rollen, es hagelt Flüche, bis die Wände wackeln, der Kater entsetzt unter das Sofa flüchtet und der arme Kehlkopf überbeansprucht ist. Meldet sich am Telefon eine total heisere Stimme, können Sie sicher sein, einen solchen Tag erwischt zu haben. Feketes Vorstellungen sind nämlich präzise, die Vorarbeiten langwierig und das Eigenleben der Farben beträchtlich. Übereinanderzudruckende Farben, die nuancieren, aber transparent bleiben, nicht eine die andere erschlagen sollen, entfalten eine Eigengesetzlichkeit, die sich exakt nicht vorberechnen läßt. Und Fekete ist ein viel zu lustvoller Maler und Farbkomponist, um seinen Erfahrungsschatz gegen unbekannte Reize zu verschließen und sich so um das Vergnügen neuer Erfahrungen zu bringen. Beim Probedrucken können sich also ärgerliche oder auch ins Positive lenkbare Überraschungen ergeben., äußerste Anspannung und Aufregung sind die Regel. Neben der Druckerei gibt es dann weitere authentische Objekte aus dem Haus am Stetteritz, anhand derer wir uns jetzt auch ein wenig in die Anfangszeiten versetzt fühlen können, als der Künstler nach seiner entbehrungsreichen Odyssee von Ost nach West und zurück im Alter von 40 Jahren zusammen mit seiner Frau zum ersten Mal ein eigenes Haus bezog. Stolz und glücklich, berstend vor Arbeitselan und Ideen, galt es zunächst, dieses Zuhause auch wohnlich zu machen. Im Gegensatz zu üblichen Gepflogenheiten kaufte er fast keine Möbel, sondern baute sie selber. Für die vielen Bücher wurden Backsteine aufeinander getürmt, dicke Holzbohlen darüber gelegt und fertig war das Bücherregal, eines nach dem anderen hoch bis zur Zimmerdecke; ein Meter hohe Regale, vorn jeweils verschlossen mit einer Bastmatte, dienten beispielsweise als Buffet oder Schuhschrank. Vor allem aber baute er zwei Truhen als geräumige Universal-Behälter. Die eine werden Sie drüben im Museum kennenlernen, diese hier wird nur während der Ausstellung zu studieren sein, sie darf ausgiebig betrachtet und reizvollerweise auch betastet werden, wie das Messer Kerben in diejenigen Holzpartien gegraben hatte, die ohne Farbe bleiben, keine Papierberührung haben durften. Diese besteht teilweise aus den Holzstöcken, mit denen der Künstler 1961 die Farbholzschnittfolge für seine erste Mappe, die schnell vergriffene „Piraten“ -Mappe, gedruckt hatte. Schirmständer und Apothekenschrank waren Holzstöcke, wie auch schönste Holzstöcke als Rücklehnen einfacher Liegen statt Sofas oder Betten als Fries aneinander gesetzt wurden. Tapeten entfielen, die geweißten Wände wurden reich mit überwiegend eigener Kunst geschmückt, in der Küche sogar eine Kachelwand bemalt. Ein zauberhaftes weiteres Kontingent aus dem Haus konnte nun außerdem hier einziehen, wird künftig in seiner ganzen Pracht auch präsentiert bleiben, und das ist das, was man zu Hause im allgemeinen als „das gute Geschirr für festliche Anlässe“ zu bezeichnen pflegt. Sogar das war bei Feketes insofern selbst hergestellt, als der Künstler weiße Kacheln und einfaches Keramikgeschirr besorgte und bemalte. Sein Leben lang technisch experimentierfreudig, nahm er wohl für dieses Unterfangen gleichfalls kein Lehrbuch zu Hilfe, sondern bewältigte den glatten, ungewohnten Malgrund auf eigene Weise. Das Angebot an Farbpulvern für Keramik- und Porzellanmalerei war und ist ja reichhaltig. Belesen und gebildet wie er war, wird er allerdings einiges geschichtliches Wissen auch zu diesem Kapitel im Kopf gehabt haben: Im Orient kannte man die Malerei auf Keramik schon 2000 v.Chr. Im Mittelalter wurde sie auch in Europa eingeführt; es entwickelte sich die berühmte Fayence-Malerei auf Kacheln und Geschirr. Durch die holländische Ostindische Kompanie wurden chinesische Motive importiert, Delfter Kacheln bald ein Begriff. Einfaches Geschirr wurde mit wasserlöslichen Keramikfarben bemalt und nach dem Trocknen bei etwa 800° gebrannt. Für Prunkgefäße und kostbare Apotheken-Behälter wurde die Tonware nach einem Glasurbad erstmals gebrannt und nach der freihändigen Bemalung ein zweites Mal, wodurch die Farben ihre Leuchtkraft noch zuverlässiger behielten. Kurz nach 1700 wurde in Sachsen das hartgebrannte Porzellan erfunden, bald auch einzeln von Hand bemalt, vielfach mit kleinen vorgegebenen Motiven. Künstlerporzellanfarben sind Farbpulver, die mit Öl angerührt werden und sowohl unter als auch über Glasur nach Trocknen und Brennvorgang von mindestens 1000° sehr haltbar sind. Fekete hat nun weder Kacheln noch Geschirr nach geschichtlichem Muster verziert, sondern Flächen und Rundungen wie eine Leinwand behandelt, Umrißlinien brauchte er dazu nicht. Mit freiem Pinselschwung zauberte er seine Bildwelt: Tiere, Schiffe, Türme, Häuser, Zäune in Landschaften, Gewässer mit Fischen auf Bodenvase, Becher, Kanne, Kacheln für vielerlei Anlaß, tiefe und flache Teller. Doch äußerste Achtsamkeit beim Umgang mit dieser Besonderheit war schon vonnöten, damit keine ärgerlichen Stellen abplatzten, man hantierte ja nicht mit hartgebrannter Manufakturware aus Meissen oder Berlin oder Kopenhagen, sondern mit hochempfindlichen Objekten. Glücklich, wer Bewirtung und Stimmung erleben, Getränk, Brot, Kuchen oder warme Gerichte aus diesen Kunstwerken zu sich nehmen durfte. Wen schaute beim Leeren eines Gefäßes ein Vogel an oder Hahn oder Fisch? Mit diesem Geschirr zu hantieren, war einzig das Privileg des Hausherrn. Im besagten Kapitel „Sonntagnachmittag“ heißt es einmal: ….“wir sitzen am Wohnzimmertisch. Frau Fekete bringt die Teekanne und hinter ihr balanciert Fekete eine Anzahl „Feketes“ auf einfachem Holzbrett: von ihm bemalte Kacheln werden herumgereicht, dazu kleine Becher, bemalt mit Phantasiefischen, die auf ihr wässriges Element Tee regelrecht zu warten scheinen.“ Webmaster Rosenbaum hat jetzt dankenswerterweise auch dieses Kapitel in die homepage gestellt. Schließlich gibt es auch noch die leuchtende Emailmalerei, und ein Sonderkapitel ist nun hier präsentiert: Maria Fekete erhielt von ihrem Mann keinen Schmuck aus dem Juweliergeschäft, sondern aus Kupfer, das der Künstler mehrschichtig ebenfalls bemalte. Nachdem er aus allezeit im Haus vorrätiger 0,3 mm dicker Kupferplatte mit der Blechschere die gewünschte Form zugeschnitten hatte, bestreute er die Rückseite mittels Teesieb nach eventueller Dedikation jeweils mit Transparent-Emailpulver und schob das Teil vorsichtig in den auf 900° vorgeheizten Emaillierofen, nach 4 Minuten Brenndauer wurde es abgekühlt, dann grundierte er die Vorderseite ganz leicht mit etwas in Wasser gelöstem Pulver und trug darauf nach dem Trocknen mit feinsten Pinseln, die er in zuvor angerührten Farbpulverbrei tauchte, seine erdachten Motive auf; sollten sie vor einem wie Gold aufscheinenden Hintergrund stehen, mußte die Geschichte vor dem Brennen erst mal gründlich abtrocknen, dann überstäubte er sie zusätzlich vooooorsichtig mit Transparent-Emailpulver, das nach dem Schmelzen im Brennvorgang noch das Kupfer herrlich durchschimmern ließ. Auf diese Weise wurden Handtaschen geschmückt, Gürtel gefertigt und vor allem Broschen wie diese hier, über die sich freute, wer immer das Glück hatte, vom Künstler ein Exemplar geschenkt zu bekommen. Daneben bemalte er Kupferplatten, auch Bildsegmente, wenn diese nach dem Brennen zu einem größeren Emailgemälde mit Epoxidharzkleber wie ein Puzzle auf einen Bildträger wie Holz geklebt werden sollten, auch davon gibt es nun in Roßdorf Beispiele. Auf der Baseler Kunstausstellung 1972 zeigte er erstmals zwei große Emailgemälde, die natürlich nicht in einem Brennvorgang entstehen konnten, weil die Innenmaße seines Brennofens mit 23×23 cm die Größe eines Bildsegments jeweils vorschrieb bzw. begrenzte. Kleinere Formate konnten im ganzen gebrannt werden und schmückten als kostbare Vignetten leinengebundene Vorzugs- und Luxusausgaben von Büchern und Mappen. Sei es nun Leinwand, Pappe, Holz, Kupfer, glattgestrichenes Papier, Zeitung, Stoff, Leder oder Porzellan, Fekete hat es verstanden, jeder Art Maluntergrund seinen unverwechselbaren Stempel aufzudrücken. Wir verdanken ihm viel.
Vortrag
Dr. Roland Held
Darmstadt
Der Bestand an Arbeiten, der durch Schenkung zu Lebzeiten Esteban Feketes wie auch durch Übertragung nach seinem Tode an die nach ihm benannte, vom Kulturhistorischen Verein Roßdorf betreute Stiftung gelangte, er ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit mehreren tausend Posten so gewaltig, daß sich noch auf lange Sicht Ausstellungen abwechslungsreichsten Charakters daraus zusammenführen lassen. Ausstellungen, die sich auf einzelne der von Esteban Fekete praktizierten künstlerischen Techniken oder bestimm-te, zeitlich abgrenzbare Werkphasen konzentrieren ebenso wie andere, die per Querschnitt durch sämtliche solche Gruppen charakteristische Aspekte dieses Schaffens einzukreisen versuchen. Auf Anhieb fällt mir ein: die Farbpalette des EF oder die Symbolik in den Stillleben des EF, EF als Illustrator literarischer Vorlagen oder EF als Erbe des Expressionismus, EF und der Eros, EF und die Landschaft, EF und der Tod.
Die Darstellung des Tiers in der Kunst – manches spricht dafür, daß sie deren erste Groß-leistung ist. Man denke an die Büffel und Pferde, die Rentiere und Bären, sogar Mammuts und Rhinozerosse, oft gleich herdenweise, die unsere eiszeitlichen Vorfahren auf den Höh-lenwänden im südlichen Frankreich, im nördlichen Spanien hinterlassen haben! Zwar hat sich noch keine Theorie über ihren Zweck endgültig durchgesetzt. Doch daß sie irgendwie mit Jagd- und Fruchtbarkeitszauber zu tun haben, daß sie den darauf erscheinenden Tieren einen höheren Rang zuweisen als bloß den von vierbeinig wandelndem Nahrungsvorrat, darüber gibt es keinen Zweifel. Der Widerspruch, den wir heute sehen in der Tatsache, daß das Tier den paläolithischen Jägern Beute war, aber auch scheu verehrtes Totemwesen, vielleicht sogar Gott, dieser Widerspruch klaffte vermutlich nicht so eklatant auf wie in unserer Zivilisation, wo wir einerseits bestimmte unnatürlich hochgezüchtete Spezies als Schoßtiere hätscheln, ja als Ersatz menschlicher Gesellschaft, andererseits eine Reihe von anderen Spezies unter fabrikmäßigen Bedingungen halten, um sie auch ansonsten zu be-handeln, als gehe es um tote Dinge statt um empfindungsfähige Mitgeschöpfe. Im Verlauf der Jahrtausende seit Lascaux und Altamira hat sich das Verhältnis des Menschen zum Tier weiter differenziert und verfeinert, im selben Maß, wie seine Lebens- und Denkweise, sprich: seine Kultur sich differenzierte und verfeinerte. Noch den klassischen Hochkultu-ren waren Tier und Mensch nah verwandt genug, daß sie gerne Figuren des Mythos und der Religion mit Mischzügen beider ausstatteten. Man hoffte so zu partizipieren an der Kraft und Vitalität der Tiere ebenso wie an ihrem Geheimnis. Später begegnen wir, in Skulptur und Malerei, dem Jagdtier, dem Nutztier, dem Kriegstier, dem Haustier. Doch über jeden lediglich abbildenden Realismus hinaus triumphierte immer wieder die Nei-gung, unsere eigenen Ideen und Eigenschaften, gute wie böse, ins Tier hineinzuprojizieren. Ohne Rücksicht darauf, daß die meisten Tierarten aus unserem städtischen, technisierten Alltag längst verschwunden sind. Was wäre die Kunst des 20.Jahrhunderts ohne Picassos Stiere und Hähne, Dalis Ameisen, Esel und Giraffen, Max Ernsts Vögel, die Hirsche, Hasen, Bienen bei Joseph Beuys, die Adler bei Georg Baselitz? Bernd Küster – ja, der gleiche Museumsleiter aus Oldenburg, der für Esteban Fekete den Text zum vierten Band seines druckgraphischen Werkverzeichnisses verfaßt hat – erläuterte den Tatbestand anderswo einmal summarisch: „Das Tier bildet eine organische Brücke zwischen dem Menschen und der außer ihm liegenden Welt; am Tier manifestiert sich menschliches Empfinden, in seiner Darstellung bekommen die erhabenen oder uneinsehbaren Kräfte der Natur eine menschlich determinierte, beherrschte Gestalt.“
Wir dürfen davon ausgehen, daß die auf Esteban Feketes Gemälden und Holzschnitten immer wieder auftauchenden Tiertypen keine von der gängigen Symbolik gänzlich abweichende Bedeutung haben. Daß also der Hahn für ein stolzes, prachtliebendes Selbstbewußtsein steht, strahlender Sohn der Sonne, deren Aufgang er jeden Tag aufs neue verkündet. Daß der Stier für Triebhaftigkeit und Potenz steht. Der Esel für in Demut ertragene Armut und Erniedrigung, aus denen er jedoch unvorhersagbar ausbrechen kann in Tritte von störrischem Eigenwillen. Die Katze für häusliche Behaglichkeit, wenn sie in Stilleben auftaucht, aber auch für samtweiche Zärtlichkeit, ja erotische Verführung, wenn sie aus dem Schlummer erwacht und einem weiblichen Akt beigesellt ist. Unser Meister EF war kunsthistorisch bewandert genug, um den Hinweis auszukosten, den er damit im Bild versteckte, den Hinweis nämlich auf Manets Porträt der hüllenlos auf dem Lager ausgestreckten Olympia, zu deren Füßen ja auch ein schwarzes Kätzchen faucht. Das Bild erregte einen gewaltigen Skandal im Pariser Salon von 1865, weil besagte Olympia niemand anders als eine stadtbekannte Kokotte war. Als Hinweis auf die Gefährlichkeit der Katze finden wir im anderen Teil der heutigen Ausstellung ein Gemälde, wo sie dabei ist, den Inhalt eines Goldfischglases scharf zu belauern. Nicht weit davon das Gemälde eines Ziegenbocks, der wie der Sündenbock des Alten Testaments ausgesetzt ist in der Wildnis, wobei es sich dabei jedoch nicht um die Wüste handelt, die Israel umgibt, sondern um eine irische Szenerie mit Autofriedhof – hatten die Iren doch bis vor kurzer Zeit die Angewohnheit, ihre Altkarossen bevorzugt an den landschaftlich schönsten, verwunschensten Stellen ihrer Insel zu entsorgen. In der Remise wiederum begegnet uns ein kleiner Holzschnitt, einen Vogel im Käfig zeigend, der es trotz geöffneter Käfigtür vorzieht, an seinem Platz zu verharren und sein Spiegelbild anzustarren – oder ist es stattdessen ein realer Vogel auf der anderen Seite der Fensterscheibe? Man könnte daraus eine Kritik herauslesen an der weit-verbreiteten Zögerlichkeit der Menschen, den Käfig ihrer Gewohnheiten zu verlassen und Neues kennenzulernen. Darüber hinaus freilich können Vögel, auch und gerade im Werk von Esteban Fekete vieles versinnbildlichen: Weisheit, Geheimnis, Poesie ebenso wie Verletzlichkeit, Hinfälligkeit, Endzeitliches. Aber zum dem Thema hat Ihnen ja Dr.Reiner Welters vor genau einem Jahr, angeregt vom Holzschnitt „Der Vogel ist tot“, eine glänzend informierte und formulierte Rede gehalten.
Jeder, der Esteban Fekete und seine Frau Maria auch nur ein bißchen näher kennengelernt hat, weiß daß für beide Tiere nicht abstrakte Gedanken- und Symbolkonstrukte darstellten, sondern daß sie Freude hatten am leibhaftigen Umgang mit den Kreaturen. Allen voran mit den eigenen Hunden Ulysses und Amigo, die in Estebans Arbeiten häufig ihren Auftritt hatten, überprüfbar drüben auf dem in Edelsteinfarben leuchtenden Gemälden „Mit Ulys-ses“. Ich vermute, daß die Wahl der Feketes nicht von ungefähr zwei mal auf die Rasse Schäferhund fiel anstatt, sagen wir, auf Mops oder Dackel. Sind doch in ihr die konträren Eigenschaften des Treuen, Domestizierten und des Wilden, Wolfsartigen gleichsam ge-kreuzt. Aus eigener leidvoller Erfahrung weiß ich, daß Esteban sich stets folgsame, artig Pfötchen gebende Anhänger seiner Kunst wünschte. Und daß er schon auf leise Kritik reagieren konnte, als sei ihm undankbar in die Hand gebissen worden. Nun, zum Thema Hund nachher mehr. Ein flauschigeres Tierchen treffen wir an auf einem kleinen Gemälde, ebenfalls drüben. 1964, ein Jahr, bevor in der Düsseldorfer Galerie Schmela die nachgerade legendäre Aktion „Joseph Beuys erklärt dem toten Hasen die Bilder“ stattfand, legte unser Künstler sich bereits zum Haushasen, dessen Name leider nicht überliefert ist, auf den Boden zu seiner Aktion, die ich mal titulieren möchte: „Esteban Fekete erklärt dem lebenden Hasen, wo das Futter herkommt“. Nämlich von ihm. Ich finde es aufschlußreich, daß der Mensch sich hier, ganz wortwörtlich, auf die Ebene des Tiers, auf gemeinsame Augenhöhe, begeben hat. Möglicherweise knüpft das an eine Einstellung an, der Franz Marc, zweifellos der größte deutsche Tiermaler des 20.Jahrhunderts und mit seinen Farbverfremdungen von erheblichem Einfluß zumindest auf den frühen Fekete, einmal Aus-druck gegeben hat: „Gibt es für Künstler eine geheimnisvollere Idee als die, wie sich wohl die Natur im Auge eines Tiers spiegelt? Wie sieht ein Pferd die Welt oder ein Adler, ein Reh oder ein Hund? Wie armselig, seelenlos ist unsere Konvention, Tiere in eine Land-schaft zu setzen, die unseren Augen zugehört, statt uns in die Seele des Tieres zu versenken, um dessen Bilderkreis zu erraten.“
Um Ihnen, meine Damen und Herren, zu verdeutlichen, wie empfänglich Esteban und Maria Fekete sich für jede Tier-Begegnung zeigten und, in einem damit, warum ihnen die Irland-Aufenthalte so wichtig waren, zitiere ich einen Auszug aus den tagebuchartigen Aufzeichnungen, die ich von einem Besuch an der Bucht von Kenmare im Herbst 1990 zurückbrachte: „Sie leben in der Schöpfung, mit der Schöpfung. Wenn sie etwas ersehnen, dann tiefer in diese einzudringen, niemals aber über sie hinaus. Daher ihre Liebe zu den Pflanzen, daher ihr Augenmerk für die Tiere der Zone, wo Meer und Land puzzleartig ineinander verzahnt sind: der Kormoran, der auf Futtersuche über die Wogen schweift, der Delphinschwarm, der sich erst jüngst in die Spitze der Bucht verirrt hat, die Sippe von See-hunden, die sich an heißen Tagen auf den Klippen lümmelt, die Igel, die Nager, die streu-nenden Hunde, die einsame Fledermaus, die im späten Abend-, im frühen Mondlicht hin- und hergaukelt, der Fischotter, dessen Einschlupfloch zu den labyrinthischen Gängen im Ufergeröll sie genau kennen. Kein Paradies, wo der Löwe einträchtig neben dem Lamm liegt, nichts, was die Feketes herbeilügen müssten. Gegenüber Sentimentalitäten wahren sie eine Distanz, gefiltert aus botanischem und zoologischem Faktenwissen. Dennoch nährt ihr Aufenthaltsort das Gefühl, noch im Gleichgewicht zu leben, in der Lust und Fülle des Seins, im Zustand des ewigen Jetzt.“ Damit das jetzt nicht zu glorifizierend klingt, unterstreiche ich nochmals, daß die Tier-Zuneigung von Esteban und Maria Fekete mit zimperlichem Vegetarismus nichts, aber auch gar nichts zu tun hatte. Bestens erinnere ich mich des späten Nachmittags, als ich sie auf einem Waldspaziergang in ein Gasthaus begleitete. Eben noch hatten sie mich damit amüsiert, wie sie einen Heerwurm von Schnecken, gerade dabei, eine regennasse Landstraße zu überqueren, hingebungsvoll Stück für Stück auflasen und zur rettenden Böschung trugen. Eine halbe Stunde später verblüfften sie mich dann damit, wie ungerührt sie sich ein saftiges Vorzugssteak zwischen die Zähne schoben. Doch in Widersprüchen zu leben, gehört wohl untrennbar zur Condition humana.
Ich habe angekündigt, auf das Thema Hund nochmals zurückkommen zu wollen. Allen
falls neben dem Vogel dürfte er das am häufigsten im Schaffen des Meisters EF auftauchende Tiermotiv sein. Mit der Besonderheit, daß eine übergroße Empathie, sprich: eine Mischung von Einfühlen und Mitfühlen unübersehbar ist. Wir haben unter uns den relativ späten Holzschnitt des abermals durch eine trostlos-wüste Landschaft ziehenden „Irischen Zerberus“ – kein Wunder, war das nicht der Hund, der für die Griechen und Römer den Eingang zur Hölle bewachte? Und um ein Ahnung davon zu bekommen, wie sehr Esteban sich mit sämtlichen geprügelten Hunden auf den Landstraßen des Herzens identifizierte, genügt ein Blick drüben im Museum auf das in vielen Variationen existierende Gemälde mit dem Dorfhund, mutterseelenallein an der verlassenen Wegekreuzung. Anderswo tref-fen wir auf das Elend des in den Umkreis seiner Hütte verdammten, mit einem alten Knochen abgespeisten Kettenhunds. Woher rührt diese Identifizierung gerade mit den Underdogs des Tierreichs? Ich wage eine menschlich-allzumenschliche Antwort. So wie nicht nur die realen Hunde Ulysses und Amigo eine Lücke füllten im emotionalen Haus-halt eines Künstlers, der privat kinderlos und zwar von großem Bekanntenkreis umgeben war, doch letztlich eine stolze, bisweilen zornige Einsamkeit vorzog, so errang er, speziell zwischen den mittsechziger und mittachtziger Jahren, großen Erfolg, sogar in materieller Hinsicht, was in diesem Beruf rar ist. Dennoch hatte ich stets das Gefühl, daß er selber mit seinem Maß an Glück nie recht zufrieden war und nach noch mehr Anerkennung hungerte, Anerkennung auch von Seiten, woher er sie partout nicht bekam. Nie konnte er den Ver-dacht restlos aus seinem Hirn verbannen, der nicht ernst genommene Autodidakt zu sein, der nirgendwo wirklich Wurzeln schlagende Heimatlose, der in keiner künstlerischen Vereinigung aufgehobene Außenseiter, kurz: der arme Hund. „Frühling. Ich Optimist“, scheint EF auf dem Holzschnitt mit seinem bengalischen Kolorit zu jauchzen. Doch wenn auf künftigen Ausstellungen der Fekete-Stiftung die restlichen drei Blätter dieser Jahres-zeiten-Mappe von 1973 zu bewundern sein werden, dann erfahren wir, welche trügerische Sommeridylle, welche Herbstmelancholie, welche Wintererstarrung dem Aufbruch des Frühlings folgen sollten.
© Dr.Roland Held, Darmstadt 2010
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Im Anschluß an den Besuch der Remise konnten große Unikate in der Galerie bewundert werden. Ursula Paschke und Dr. Roland Held erzählten dort von Ihren Eindrücken und Erkenntnissen während der über ein Jahr dauernden Sichtung des Nachlasses von Esteban Fekete.