Ich male eine Drossel

Ich male eine Drossel Wv 693

Gesprenkelter Bote der Inspiration

Zum Farbholzschnitt „Ich male eine Drossel“ (Werkverzeichnis 693)

Selbstbildnisse haben in seinem Schaffen ihren festen Platz. Kann ja auch keiner behaupten, er sei sich ein unattraktives Modell gewesen: gut geschnittenes Gesicht, helle Augen unter dichten Brauen, das auch über der mit den Jahren höher und faltiger werdenden Stirn noch schön gewellte Haar… Hier hält Esteban Fekete die Augen geschlossen. Kein Wunder – der Mond steht schon hoch am nachtblauen Himmel, Schlafenszeit für die Menschheit. Doch der Künstler liegt nicht im Bett, steckt, auch wenn man nicht allzuviel davon sieht, noch in seinen Kleidern. Ja, er reckt die rechte Hand empor, die zwischen Daumen und Zeigefinger einen Pinsel hält. Und auf dem wiederum hat sich ein Vogel niedergelassen, mit breitbeiniger Selbstverständlichkeit, den Schnabel hinaus in die Welt gestreckt. Nicht irgendein Vogel. Eine Drossel, wie, täte es nicht bereits der Titel, ihr gesprenkelter Balg es uns verrät. (Fleckchen, zum Glühen gebracht wie das viel größere Gesicht!) Fast wirkt es, als wäre der Vogel dabei, das Maler-Werkzeug zu dirigieren. Was zur wie schlafversunkenen Miene des Mannes passt. Befindet er sich womöglich in einer Art schöpferischer Trance? So dass, was an Kunst entsteht, gelenkt wird von einer unbewussten, sogar animalischen Kraft? In diesem Fall nicht etwa eine Nachtigall, die man, süß eingestimmt durch Dutzende romantischer Gedichte aus Orient und Okzident, als Verkörperung von Sehnsucht und Liebe, Musik und Poesie kennt. Nein, die Drossel, ein ordinärer Sperlingsvogel, begabt mit eher spitz ziependem, trillerndem Gesangsorgan, regiert die Szene, treibt die Inspiration des Künstlers an. Doch die Traumdeutung weiß: Erscheint dir die Drossel, so stehen dir günstige Entwicklungen ins Haus. Ertönt aus ihrem Schnabel zudem ein Lied, so ist das der sichere Vorbote von künstlerischem Genuss, der dem Träumenden bald zuteil wird.

Roland Held

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