Gleichberechtigung

Wv 279 "Gleichberechtigung"

Wv 279 „Gleichberechtigung“

„Ich will gleichberechtigt sein!“ „Was? Wie?“ „Gleiches Recht für alle!“ „Aber du bist ein Hund!“ „Nicht du, sondern Sie, verstanden? Im übrigen: Hund hin, Hund her – das geht nicht. Wir sind Demokraten.

In diesem Augenblick läutete das Telefon, und zum erstenmal sah ich, wie Ulysses entschlossen den Hörer abnahm. „Ja. Jawohl. Nein, das ist eine Schweinerei. Ab sofort werden keine Holzschnittgeschichten mehr an Sie geliefert“, und böse warf er den Hörer auf die Gabel.

„Wer war es?“ traute ich mich gerade noch zu fragen. „Ihr Verleger.“ „Aber wie konntest du… bitte um Entschuldigung… Wie konnten Sie ihn so abweisen? Diese Geschäfte sind für mich wichtig!“. „Er ist ein Kapitalist und beutet Sie aus. So etwas muß aus unserer Gesllschaft ausgeschlossen werden. Sie werden mit ihm keine Geschäfte mehr machen!“ „Was verstehen Sie von Geschäften?“ „Das geht Sie nichts an. Drittelparität – es muß abgestimmt werden.“ Meine Frau und ich aber waren gleicher Meinung. „Sehen Sie?“ „Ich sehe nichts. Sit in!“

Das Atelier wurde belagert, alle Dokumente durchwühlt und beschädigt, die Ecken besudelt. Verzweifelt ging ich zur Polizei. „Ja, ja, ganz sicher hat er politische Gründe.“ „Aber er ist doch nur mein Hund!“ „Das spielt keine Rolle, das Grundgesetz garantiert jedem die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“ „Und was soll ich jetzt machen?“ „Versuchen Sie nicht, ihn zu provozieren.“ Dann ging ich heim. Vorsichtig betrat ich das Atelier. „Sit in“, knurrte er und zeigte die Zähne. „Sie haben recht. Wollen wir nicht doch miteinander verhandeln?“

Und wir verhandelten. Seitdem schlafe ich eine Nacht mit Ulysses, die nächste verbringt er mit meiner Frau. Jede dritte Nacht aber müssen wir – Mann und Frau – in ein Bett steigen: Wir haben nämlich nur zwei Betten.

Video – Portrait

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